Erinnerungen an das Westend
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Hallo München
Westend / Schwanthalerhöhe, 28.02.2010 12:00 |
Riyan Münch-Kühn Neu aufgelegt: Der Roman »Zeit zum Aufstehen« von Viertel-Chronist August Kühn
WESTEND „Mei’ Kinder, ihr wohnt ja direkt in den Slums“ – so empfand Riyan Münch-Kühns (gr. Foto) Mutter das Westend Ende der 60er Jahre. Der Putz bröckelte von den Fassaden, Scheiben waren eingeworfen, viele Fenster der Wohnhäuser gesprungen und mit Klebeband zusammengeklebt. „Nach dem Krieg gab es ja keine großen Glasscheiben“, erinnert sich Riyan Münch-Kühn. Die heute 69-Jährige lebte damals mit ihrem Mann August Kühn und ihren Kindern in der Tulbeckstraße. August Kühn war Schriftsteller, schrieb über die Arbeiter im 19. und 20. Jahrhundert. Sein Klassiker „Zeit zum Aufstehen“ – eine Familienchronik im Westend – ist jetzt neu aufgelegt worden (siehe unten).
August Kühn verfasste Romane, während die Familie schlief – „morgens um 3.30 Uhr hat er schon an seiner Schreibmaschine geklappert“. „Tagsüber konnte er nicht arbeiten“, erinnert sich Riyan Münch-Kühn. „Wir hatten schließlich keine Kinderfrauen und Köchinnen wie in Schwabing“, sagt sie in Anspielung auf die Familie von Thomas Mann, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Agnesstraße lebte. „Was Thomas Mann in ,Die Buddenbrooks‘ über die Patrizierfamilien geschrieben hat, verfasste August über die Proletarierfamilien im Westend.“
In seinen Romanen beschrieb er die Schwierigkeiten der kleinen Leute im 19. und 20. Jahrhundert. „Armut trotz harter Arbeit, kleine Wohnungen trotz vieler Kinder.“
So erging es auch Riyan Münch-Kühn und ihrem Mann: „Wir mussten ewig warten, bis wir eine größere Wohnung bekommen haben“, so Münch-Kühn, die heute in Milbertshofen wohnt. Schön war das Westend damals nicht: „Es war total heruntergekommen, alles war dreckig.“ Ist ein Kind im Winter in den Schnee gefallen konnte man gleich wieder mit ihm nach Hause, es umziehen, so schmutzig waren die Straßen.“ Und gestunken hat es – „unglaublich“. Schuld daran waren die Gummiwerke „Metzeler“ an der Westendstraße. Außerdem war das Viertel total farblos: „Keine Bäume, keine Parks.“ Nur eine kleine Grünfläche habe es bei der Bavaria gegeben. Und obwohl das Westend so trostlos war, „liebte August es“. Schließlich war er dort geboren, kannte jede Menge Leute. Wenn Riyan Münch-Kühn heute durch das Viertel schlendert, ist sie überrascht: „Schöne, neue Häuser und Cafés, viel Grün – vom Glasscherben-Viertel zum In-Viertel.“ Ines Grabe
Familien-Saga
Der Roman „Zeit zum Aufstehen“ von August Kühn ist 1975 erschienen. Die Erzählung ist eine Chronik über vier Generationen der Familien Kühn, die 1866 mit dem Ururgroßvater beginnt und die Geschicke der Nachkommen in der Münchner Arbeiterschaft bis ins Jahr 1974 beschreibt. August Kühn erzählt aber nicht nur die eigene Familiengeschichte, sondern lässt mehr als 100 Jahre Münchner Stadtgeschichte und deutscher Arbeiterbewegung aufleben. Der Westend-Chronist wurde am 25. September 1936 geboren, er starb mit 59 Jahren am 9. Februar 1996 in Hinterwössen. igr
Wir verlosen fünf Bücher „Zeit zum Aufstehen“. Um zu gewinnen, schicken Sie eine Postkarte mit Telefonnummer an Hallo München, Dessauerstraße 10, 80992 München oder eine e-Mail an aktion@hallo-muenchen.de. Das Stichwort lautet „August“. |
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